Andrea Petö, Geschlecht, Politik und Stalinismus in Ungarn. Eine Biographie von Júlia Rajk

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Zwei Namen, zwei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Geschichte Ungarns nach 1945 waren in Ungarn eine lange Zeit vollkommen tabuisiert. Die eine, László Rajk, war Minister der ersten ungarischen Nachkriegsregierung und wurde nach einem Schauprozess 1949 des "Titoismus" verurteilt und hingerichtet. Seine Rehabilitierung und sein öffentliches Begräbnis 1956 wurde zur Ouvertüre de Revolution 1956. Die andere lange tabuisierte Persönlichkeit war Imre Nagy, zur Zeit der Revolution 1956 Ministerpräsident des Landes. Er wurde 1958 zum Tode verurteilt; seine feierliche Umbettung aus einem namenlosen Grab in eine würdevolle Grabstätte dreißig Jahre später markiert den Beginn der politischen Wende in Ungarn.

Zwei "Begräbnisse", die im kollektiven Bewusstsein symbolische Bedeutung erlangten. Bei beiden Begebenheiten spielten Familienangehörige, genauer gesagt, die Tochter von Imre Nagy und die Frau von László Rajk eine entscheidende Rolle: Ganz genau so wie es uns die griechische Tragödie lehrt, dass es die hergebrachte Aufgabe der Frauen sei, die Angehörigen würdevoll zu bestatten.

Die "Witwe" Júlia Rajk begriff beide Machtmänner Ungarns nach 1945 – Mátyás Rákosi und János Kádár –, die ihren jeweiligen Opfern kein Grab gegönnt hatten und so die Erinnerung an die Toten ausgelöscht wissen wollten, nicht nur als persönliche Feinde, sondern auch als politische Gegner, die es zu bekämpfen galt – ganz im Sinne Milan Kunderas, der den Widerstand gegen die kommunistischen Regime als "den Kampf des Menschen angesichts der Macht für die Erinnerung und gegen das Vergessen" beschreibt.

Man wird in der ungarischen Geschichte des 20.Jahrhunderts kaum eine zweite Person finden, die mit ähnlicher Ausdauer und gleicher Konsequenz gegen die von oben verordnete Politik des Vergessens gekämpft hat wie Júlia Rajk: Ihrem Drang zufolge, musste sie nach der Hinrichtung ihres Mannes dessen Namen vom Epiteton befreien, das ihm die offizielle Geschichtsschreibung der Rákosi-Ära angehängt hatte. Júlia Rajk ist als unbeugsame Streiterin für "die Erinnerung" zu einer der Hauptfiguren des unter dem Kádár-Regime sich entwickelnden zivilen Widerstandes geworden, weshalb ihre Lebensgeschichte auch ein wichtiger Teil der ungarischen Zeitgeschichte ist.

Das Buch ist ein Versuch, ein Porträt einer am Zeitgeschehen aktiv beteiligten Frau zu zeichnen, mit besonderer Betonung der frauenspezifischen Aspekte.

Studien zur Geschichte Ungarns, Bd. 12

ISBN: 9783933337436, kartoniert, 17x24 cm, 214 Seiten

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